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Austauschschüler berichten beim Kulturnachmtittag in der KGS über ihre Erfahrungen
Man lernt auch etwas über das eigene Land
Von Johannes Kessels - erschienen im WeserKurier am 07.12.2012
Reisen bildet. Von manchen Reisen lernt man sogar etwas für das ganze Leben. So geht es auch den Austauschschülern der Kooperativen Gesamtschule (KGS), seien es diejenigen, die von Tarmstedt ins Ausland gegangen sind, seien es Schüler aus anderen Ländern, die in Tarmstedt einen Gastaufenthalt haben. Acht von ihnen berichteten jetzt bei einem Kulturnachmittag im Forum der KGS von ihren – fast nur guten – Erfahrungen.
© Jke· Kessels
Sie haben schon viel von der Welt gesehen (von links): Eric Schultz, Por Janchidfar, Valeria Schriber, Cem Özmel, Moritz Ruge, Hannah Behr, Debora Schmidt und Lino Kuri.
Tarmstedt. Ein Auslandsjahr sei ein guter Weg in die Selbstständigkeit, sagte Schulleiter Michael Berthold. Aber auch die Eltern würden dadurch lernen – ihre Kinder würden bei der Rückkehr erwachsener sein, und sie übten auch schon mal Kritik. "Als unser Sohn aus Neuseeland zurückkam, hat er behauptet, da sei das Essen besser als bei uns – da muss man erstmal schlucken." Die Kinder würden sich im Ausland auch erstmals bewusst als Deutsche wahrnehmen und merken, dass sie doch Züge und Gewohnheiten hätten, die "typisch deutsch" seien.
Die bemerkt auch Eric Schultz manchmal an sich. Der 22-Jährige aus Gloversville im US-Bundesstaat New York ist seit drei Monaten Fremdsprachenassistent an der KGS. Zwar hat er nicht Germanistik studiert, sondern Politikwissenschaften und Geschichte, aber seine Großeltern stammen aus der Nähe von Bremerhaven, und sein Vater ist 1975 in die USA ausgewandert. Eric Schultz war schon in halb Europa. "Aber Deutschland ist etwas anderes, weil meine Familie von hier kommt", sagt er. Seine Schüler sehen das nicht so: "Für die bin ich ein echter Amerikaner." Aber Pick ups, Cheerleader und Hamburger im Doppelt- und Dreifachformat, das finde man eher in Texas als an der Ostküste.
Auch Moritz Ruge ist kein klassischer Austauschschüler. Er hat mit seinen Eltern sechs Jahre lang in den USA gelebt und ist seit einem Jahr wieder in Tarmstedt. Die ersten Monate in Virginia seien schwierig gewesen. "Aber dann versteht man mehr und mehr", sagt er. Man lerne immer neue Leute kennen, auch wegen des Kurssystems auf den amerikanischen Colleges. Nachmittags sei Sport verpflichtend, ehe es an die Hausaufgaben gehe. Drei bis vier Stunden benötigte Moritz jeden Tag dafür.
Hannah Behr war ein halbes Jahr in Uruguay in einer katholischen Privatschule. Um in ihrem Alter allein für ein halbes Jahr so weit wegzugehen, brauche es gewisser Voraussetzungen. Man müsse eigenständig und selbstbewusst sein, erklärt Hannah, und auch neugierig. In Paraguay sei sie offener geworden, und sie habe manches über ihr eigenes Land gelernt. "Das Oktoberfest kennen die Uruguayer besser als wir Norddeutschen." Michael Berthold fragt, ob ein Auslandsaufenthalt nach der neunten Klasse nicht zu früh sei. "Wenn man selbstständig ist, dann nicht", erwidert Hannah. Aber jetzt müsse sie die zehnte Klasse wiederholen.
Von Tarmstedt nach Südamerika, von Zentralamerika nach Tarmstedt: Valeria Schriber stammt aus El Salvador und hat einen schweizerischen Vater, weshalb sie auch eine deutsche Schule besucht. Nun ist sie für drei Monate bei einer Gastfamilie in Grasberg – ihr Gastvater Franz Beckfeldt sagt, seine Familie habe gern mit anderen Menschen zu tun und viel gelernt. Valeria hat festgestellt, dass Lehrer und Schüler schneller sprechen als an der Schule in ihrer Heimat – und die Deutschen laufen auch schneller. Dass es zum Frühstück Brot gibt statt Bohnen mit Eiern, war für sie zunächst ungewohnt.
Lieblingsessen ist Pommes
Auch Por Janchidfar aus Thailand erzählte einiges übers Essen, dazu gab es einen Crash-Kursus in Thai und Bilder der Natur und von vielen Tempeln. Was er hier am liebsten esse? "Pommes", erwidert Por ohne langes Überlegen. In Thailand tragen die Schüler Uniform und Einheitsfrisur und singen jeden Morgen die Nationalhymne. Die wird in der Schule in Ankara, die Cem Ölmez besucht, nur zweimal die Woche gesungen. Für Deutschland würde er dies nicht empfehlen, sagt Cem auf eine Frage von Michael Berthold. "Aber in der Türkei ist das ganz normal." Auch ein Schulweg von 30 Kilometern ist für ihn nichts Ungewöhnliches. "Hier in Tarmstedt sind es nur 300 Meter." Debora Schmidt war ein Jahr in Hongkong. Ihre Gastfamilie sprach englisch, sie hat aber auch kantonesisch gelernt und die wichtigsten Schriftzeichen. Hongkong sei sehr international. Aber es sei auch eine konservative Gesellschaft mit strengen Regeln in der Schule, was Frisur, Schmuck und Rocklänge betrifft. "Es war ein gutes, cooles Jahr, aber das schwerste in meinem Leben."
Lino Kuri war ein Jahr auf der englischen Kanalinsel Wight. Anders als die anderen Austauschschüler hat er seinen Aufenthalt privat organisiert, weil Freunde seiner Familie einen Schulleiter kannten. Sprachlich habe das Austauschjahr ihm viel gebracht, allgemein schulisch wenig, sagt er – auch er wiederholt jetzt die zehnte Klasse. Auslandsaufenthalte sollten unbedingt mit der Schule abgesprochen werden, sagte Michael Berthold. Bei den Unternehmen und Institutionen, die Schüleraustausch organisieren, solle man darauf achten, dass sie Ansprechpartner im Zielland haben.