Schüler helfen Schülern

Konzeption: Schüler helfen Schülern an der KGS
Anzahl beteiligter Personen: ca. 22
Ausgangssituation:
Die KGS Tarmstedt ist in ihrem Grundsatz eine Schule für alle, in der Schüler und Schülerinnen aller Schulzweige unter einem Dach unterrichtet werden. Durch ihre Konzeption und Größe (ca. 1200 Schüler/innen) spiegelt die Schülerschaft einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung in der Region wider.
lm Zuge der Integration von Menschen aus zum Teil sehr unterschiedlichen Herkunftsfamilien entstehen neben vielen Chancen für die einzelnen Schüler/innen (Prinzip der Durchlässigkeit) auch vielfältige Konflikte. Ausgrenzung und Mobbing einzelner sind auch in der KGS ein Thema, das unserer verstärkten Aufmerksamkeit bedarf.
Schüler helfen Schülern ist als ein Projekt angelegt, das zur Verbesserung des sozialen Klimas an der KGS beitragen soll. Die Mittel zur Durchsetzung dieses Ziels sind, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit bei sozialen Konflikten sowie eine Kultur des Hinsehens zu etablieren, durch die sich alle Schüler/innen der KGS sicher und geborgen fühlen bzw. in Konfliktfällen jederzeit Ansprechpartnerfinden können. Für Schüler/innen mit sozialen Problemen ist es in erster Linie wichtig, dass ihnen jemand zuhört. Schüler helfen Schülern bietet diesen Personen die Möglichkeit, gleichberechtigte Ansprechpartner in schulischen Alltagssituationen zu finden, die ihrerseits bei gravierenden Problemlagen den Kontakt zu Beratungslehrkräften und/oder Schulsozialarbeitern herstellen können.
Ziel:
Das übergeordnete Ziel von Schüler helfen Schülern an der KGS ist die Verbesserung des Schulklimas, die lnstallierung einer Kultur des Hinsehens, der Aufmerksamkeit füreinander und des gegenseitigen Respekts. Konkret bedeutet das für die Schüler/innen der KGS, dass sie mit ihren Problemen auch dann kompetente Ansprechpartner finden, wenn der Weg zu einer Beratungslehrkraft oder einem Schulsozialarbeiter eine zu große Hürde für sie darstellt. Formen von Anonymisierung, Mobbingstrukturen und Gewalterfahrungen können auf diese Weise thematisiert und bekämpft werden. Kompetente Schülerhelferinnen, die ein Ohr für die sozialen Nöte ihrer Mitschüler haben, bieten auf diese Weise ein attraktives niedrigschwelliges Angebot. Gleichzeitig erwerben die Schülerhelfer/innen umfangreiche Erfahrungen und Fähigkeiten im sozialen Umgang mit Menschen und können auch eigene Problemlagen mit Hilfe ihrer Tätigkeit (Perspektivwechsel) konstruktiv bearbeiten.
Beteiligte:
Zur Zeit sind 22 aktive Schüler/innen aus den Jahrgängen 6-10 in dem Projekt involviert. Alle Teilnehmer/innen haben sich im Zuge einer schulinternen Veröffentlichung der Projektidee freiwillig bereit erklärt, eine 6-stündige Ausbildung außerhalb ihrer regulären Unterrichtszeit zu absolvieren, die unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme an dem Projekt war.
Die Ausbildung erfolgt durch Herrn Pedrotti, der als Beratungslehrkraft an der KGS tätig ist. Weiterhin haben sich 2 zusätzlich interessierte Schülerinnen aus dem 5. Jahrgang angemeldet, deren Ausbildung bereits angelaufen ist. Die Schulleitung unterstützt das Projekt, das Kollegium hat Kenntnis von der Zusammensetzung der Projektgruppe und wird regelmäßig über die Möglichkeit informiert, bei Konfliktfällen auf die Schülerhelfer/innen hinzuweisen. Einmal pro Woche (dienstags) findet in der Klassenlehrerzeit ein Projektgruppentreffen zusammen mit Herrn Pedrotti im Beratungszimmer statt, bei dem aktuelle Ereignisse und neue Ideen im vertraulichen Rahmen besprochen werden. Zugleich dient diese Zusammenkunft der Betreuung der Schülerhelfer/innen und der Möglichkeit, schwierige Situationen zu besprechen.
Die Eltern der Schülerhelfer/innen werden über die Tätigkeit ihrer Kinder per Brief informiert und geben ihr schriftliches Einverständnis bekannt.
Umsetzung:
Zu Zeit ist eine stetige und engagierte Mitarbeit der Gruppenmitglieder an den Teamsitzungen sowie den wöchentlichen inhaltlichen Besprechungen festzustellen.Die Gruppe selbst macht Vorschläge und diskutiert Umsetzungsmöglichkeiten von Tätigkeitsbereichen (Bsp.: Kummerkasten in der Schülerzeitung).
Einzelne Gruppenmitglieder haben auch bereits individuelle Fallerfahrungen gesammelt, die intern dokumentiert werden, um eine konstruktive Weiterbearbeitung zu ermöglichen.
Auf Wunsch und nur mit Zustimmung der Ratsuchenden können diese Fälle auch mit dem betreuenden Beratungslehrer und/oder in der Gruppe vertraulich beraten werden. ln zwei Fällen wurden feste Sozialpatenschaften eingerichtet. Dabei stehen Schülern jeweils ein/e Schülerhelfer/in als fester Ansprechpartner während und auch nach der Schulzeit zur Verfügung.
Da die Gruppe erst zu Beginn des Schuljahres 2012/13 aufgebaut und ausgebildet wurde, ist weiterhin eine konsequente Präsenz und Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Der Bekanntheitsgrad der Schülerhelfer/innen steigt jedoch zusehends und die Vielzahl an neuen Interessenten für die Mitarbeit zeugt auch von einer bereits vorhandenen Attraktivität der Gruppe.
Konzeptionelle Basis:
Schüler helfen Schülern wird konzeptionell im Beratungskonzept der KGS Tarmstedt angesiedelt. Das bedeutet, dass ausgebildete Schülerhelfer/innen parallel zu allen mit schulischen Beratungsfunktionen betrauten Personen (Beratungslehrkräfte, Schulsozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Schulleitungsmitglieder) als Ansprechpartner für Schüler/innen in emotionalen Notlagen fungieren. Wir gehen von der Erkenntnis aus, dass viele Problemlagen unter bestimmten Voraussetzungen in den Peer-Groups gelöst werden können, in denen sie entstehen, da die betroffenen Kinder und Jugendlichen vielfach soziale Kompetenzen besitzen.
Die Schüler/innen erhalten in der 6stündigen Ausbildung Grundlagen im Bereich Gesprächsführung. Die Ausbildungsinhalte orientieren sich im Kern an den Leitlinien der Beratung, die für jede Beratungslehrkraft bindend sind:
Freiwilligkeit- Vertraulichkeit- Vermeidung der vorschnellen Bewertung der Situation von Ratsuchenden - Aktives Zuhören - Orientierung an der Sichtweise von Ratsuchenden - Einbindung in die vorhandene Verantwortungsstruktur der Schule.
Schülerhelfer/innen sind keine Therapeuten oder schulische Aufsichtspersonen. Es ist die Aufgabe der betreuenden Beratungslehrkraft, unangemessene Erwartungen an die Arbeit der Schülerhelfer/innen zurückzuweisen. Die Abgrenzung von Anfragen, die die Kompetenz der Schülerhelfer/innen überschreiten, und die Weiterleitung an schulinterne oder auch externe Fachkräfte ist Bestandteil der Ausbildung.
ln der wöchentlichen Gruppensitzung können die Schülerhelfer/innen im vertraulichen Rahmen eigene Erfahrungen und Beobachtungen besprechen und Unterstützung für die eigene Arbeit erhalten. Die Gruppe hat durch die Einschwörung auf die Leitlinien der Beratung auch die Funktion, die Schülerhelfer/innen in ihrer Rolle zu stabilisieren und eine vertrauensvolle Atmosphäre in der Gruppe herzustellen. ln der wöchentlichen Gruppensitzung finden auch die Vorstellungen interessierter Schüler/innen statt, die bei Schüler helfen Schülern mitarbeiten möchten. Hier schildern sie ihre Motivation für die Teilnahme. Die Vorstellung neuer Teammitglieder ist eine Voraussetzung, um die Ausbildung zum Schülerhelfer beginnen zu können.
Auch das bestehende Team kann ein Votum abgeben. Die Gruppe hat sich mit einer kleinen Delegation in den Klassen 5-10 vorgestellt. Schulintern wurde ein Foto mit der Tätigkeitsbeschreibung der Schülerhelfer an alle Klassen verteilt.
Das Lehrerkollegium und insbesondere die Schulleitung ist über die Tätigkeit der Schülerhelfer/innen informiert und unterstützt diese. Allerdings sind die Gruppenmitglieder gegenüber diesen Personen nicht weisungsgebunden, was ihre Tätigkeit als Schülerhelfer/innen betrifft. In diesem Zusammenhang ist es den Lehrkräften möglich, Kinder und Jugendliche in Problemfällen auf die Schülerhelfer/innen und deren Arbeit in der Schule hinzuweisen.
Wirkung:
Wie bereits beschrieben, sind die Hauptziele des Projektes langfristig auf eine Verbesserung des Schulklimas angelegt. In der konkreten Umsetzung kann man jedoch feststellen, das von sozialer Ausgrenzung betroffene Schüler/innen vielfach sehr schnell und dankbar auf die Möglichkeiten reagieren, die ihnen die Schülerhelfer/innen bieten. Allein das Bedürfnis, einen Zuhörer oder eine Zuhörerin für die eigenen Probleme zu finden, ist offensichtlich vielfach vorhanden. Die Befriedigung solcher Bedürfnisse kann akut dazu beitragen, Ängste und Aggressionen zu mindern und im nächsten Schritt sogar verbale und körperliche Gewalthandlungen verhindern zu helfen.
Nachhaltigkeit:
Nachhaltigkeit möchte und kann das Projekt auf zwei Ebenen erreichen und sicherstellen. Inhaltlich wird durch die regelmäßige Rückkopplung der Schülerhelfer/innen mit der betreuenden Beratungslehrkraft und in der Gruppe die Möglichkeit geboten, die Ausbildungsinhalte nochmal abzurufen und sich und seine Tätigkeit auch hinterfragen zu können. Geplant ist, mindestens einmal im Jahr einen Weiterbildungstag für Schülerhelfer/innen einzurichten. Um dies - auch finanziell -abzusichern, ist die Gruppe auf der Suche nach weitergehender Unterstützung.Personell wird durch schulinterne Werbung für die Gruppe das Nachrücken jüngerer Schüler/innen gewährleistet, nicht zuletzt auch, um die personellen Lücken durch die Schulabgänger nach der 10. Klasse zu kompensieren. Wie bereits angedeutet, ist nach relativ kurzer Zeit seit der Gründung von Schüler helfen Schülern eine stetige Nachfrage zu bemerken.
Ein/e Schülerhelfer/in erhält für die Tätigkeit in jedem Halbjahreszeugnis eine besondere Bemerkung, in der darauf hingewiesen wird, dass er/sie sich um das soziale Klima in der KGS Tarmstedt verdient gemacht hat. Einige der Gruppenteilnehmer/innen nutzen die Ausbildung ganz gezielt, um Fertigkeiten für andere Lebensbereiche zu erwerben, beispielsweise für die Teamerausbildung in Jugendgruppen und Kirchengemeinden. Meines Erachtens wirkt die Teilnahme bei Schüler helfen Schülern auch über die Schule und Schulzeit hinaus und kann dazu bei-tragen, sozial wirklich kompetente junge Menschen für diese Gesellschaft heranzubilden.
Michael Pedrotti